Ausstellung - Feuer.Werk
Laurenz Stockner und das Prettauer Kupfer
Laurenz Stockner ist ein Grenzgänger zwischen Handwerk und Kunst. Längst haben seine Schalen aus Prettauer Kupfer das internationale Parkett betreten. Den Werkstoff für sein Schaffen gewinnt der Künstler aus der Kupferzementanlage im Schaustollen des Landesmuseum Bergbau am Standort Prettau. Mit der Sonderausstellung Feuer.Werk kehren die daraus geformten Schalenobjekte an ihre Ursprünge zurück.
Konzept/Kurator/-in/Texte: Christian Terzer und Karin Dalla Torre
Konzept/Kurator/-in/Texte: Christian Terzer und Karin Dalla Torre
Bodenlose Leichtigkeit
Karin Dalla Torre
Seit der Antike wird das Kupfer als Planetenmetall dem schicksalsbestimmenden Planeten Venus zugeordnet und der gleichnamigen Göttin, die bei den Griechen Aphrodite hieß.
Und seit der Antike wird in Prettau Zementkupfer in hervorragender Qualität gewonnen und verarbeitet. Das alchemistische Symbol für das Kupfer steht bis heute für die Weiblichkeit – ein Geschenk der schaumgeborenen Göttin.
Auch Laurenz Stockner ist bei seinem osmotischen Verfahren zwischen Handwerk und Kunst vor über zehn Jahren in einen Sog dieses faszinierenden Metalls geraten, der ihn immer noch hält. Es hat ihn ins Labyrinth der Prettauer Stollen gezogen, wo viele Generationen von Bergleuten vor ihm sich Millimeter für Millimeter in den Fels geschremmt haben, um die kostbare Gabe aus dem Muttergestein zu holen. Die uralten und neueren Zementkupferanlagen im Bergwerk und der archaische Vorgang des Schmelzens beschäftigen diesen Künstler lange Zeit, weil er dem Wesen des kostbaren Metalls so nahe wie möglich kommen will, bevor er daran geht es zu gestalten. Deshalb baut er Schmelzöfen, bis es gelingt. Wie Hephaistos, der Gott seiner Schmiedekunst, folgt Laurenz Stockner Aphrodite in ihr kupfernes Reich der schicksalhaften Metamorphosen, wo Wasser und Fels, Glut und Kälte walten.
Mit allen Mitteln seiner meisterlichen Schmiedekunst setzt er sich dem magischen Moment aus, wenn das glühende Fließen beginnt. Aus Rohmaterial, dessen Gewinnung an sich schon ein Abenteuer ist, fertigt Laurenz Stockner durch Treiben, Auftiefen und Aufziehen nun kraftvolle Objekte, die wie natürliche Datenträger den Reiz ihrer Materie bewahren – und die Glut.
Obwohl ihre kräfteraubende Herstellung über Wochen währt, wirken die Gefäße so als ob die Kupferbarren, Rohlinge und Bleche sich wie von selbst in ihrer Form einfänden, so als ob es gar keine andere Möglichkeit der Formung gäbe.
Aus scharfkantigem Fels werden Arbeitsgang für Arbeitsgang sinnlich weiche Formen, die die Berührung suchen. Die roten, feueroxidierten Schalen gaukeln den Augen Wärme vor und schmiegen ihre schrundige Haut überraschend kühl in die Hand. Nach der Formgebung werden sie erneut der Glut ausgesetzt und im Wasser abgeschreckt.
Manche Schalen übergibt Laurenz Stockner für eine Zeitlang wieder der Erde, aus der sie kommen, zurück: Durch beigegebene Salze wird eine Erosion simuliert, die an archäologische Kupferfunde denken lässt und an deren blaugrüne Patina.
Aus dem kundigen Spiel mit den Elementen, den physikalischen Gegensätzen und der Zeit entstehen Gefäße von wunderbarer Leichtigkeit und Kraft.
Diese Schalen haben als Urbilder der Fruchtbarkeit Vorbilder in der Natur, manche lassen an Samenkapseln und Knospen denken, geballte Lebensenergie. Die Schale ist eine Metapher des Gebens, des Zusammenfließens, des sanften Überfließens, wie es im „Römischen Brunnen“ von Conrad Ferdinand Meyer heißt „…und strömt und ruht“. Auch dieses Oxymoron stellt sich mit in die Reihe der scheinbar unversöhnlichen Gegensätze im Kupferreich der Venus, aus dem Lorenz Stockner schöpft.
Es gibt Schalen, die so fein getrieben sind, dass ihre vibrierende Dünnhäutigkeit nur noch wie durch ein Wunder Standvermögen zeigt. Sie vermitteln durchihre feine Balance wohl am deutlichsten die Botschaft einer allumfassenden Harmonie. Die Schale als Symbol der liebenden Gegensätze zwischen „odi et amo“, zwischen Licht und Schatten.
Im Vorfeld der Ausstellung „Feuer.Werk“, die sich in die bestehende Dauerausstellung des Kornkastens in Steinhaus einschreibt, weckt ein besonderes Objekt in der Ausstellung das Interesse des Künstlers: eine kostbare, feuervergoldete Henkelschale aus Zementkupfer. Sie lenkt sein Auge auf die sogenannten Herrengrunder Gefäße aus der heutigen Slowakei. Die Ältesten sind halbkugelige „Tummler“, Stehaufbrecher für die Bergleute, und schlagen einen schönen Bogen zu den bodenlosen Schalen von Laurenz Stockner. Seltsam ist, dass diese alten Herrengrunder Gefäße in der Ich-Form in deutscher, lateinischer oder anderer Sprache in Gravur das „Wunder“ ihrer Entstehung zwischen Kupfer, Eisen, Wasser, Hitze und Gold erzählen.
Was entsteht, wenn der Künstler diesen Erzählfaden aufnimmt und ihn mit seinem Schmiedehammer weiter vorantreibt? Dann fügt sich das Kupferblech in neue feuervergoldete, schlichte Formen, die keiner Worte bedürfen. Sie erzählen das Wunder ihres Werdens allein durch ihre Schönheit.
Hier übergibt der Kunstschmied an den Silberschmied, der nun erstmals Gebrauchsgefäße formt, die weniger dem Material als der Benutzung dienen und die Spuren der Bearbeitung sichtbar durch die Zeit tragen.
„Was wir in der äußeren Welt schaffen, ist der Spiegel unseres Inneren“, sagt Laurenz Stockner und meint damit auch seine Schalen, die nach ihrer lauten Odyssee durch die Elemente im Reich der Stille stehen.
Karin Dalla Torre
21. Juni 2018
Und seit der Antike wird in Prettau Zementkupfer in hervorragender Qualität gewonnen und verarbeitet. Das alchemistische Symbol für das Kupfer steht bis heute für die Weiblichkeit – ein Geschenk der schaumgeborenen Göttin.
Auch Laurenz Stockner ist bei seinem osmotischen Verfahren zwischen Handwerk und Kunst vor über zehn Jahren in einen Sog dieses faszinierenden Metalls geraten, der ihn immer noch hält. Es hat ihn ins Labyrinth der Prettauer Stollen gezogen, wo viele Generationen von Bergleuten vor ihm sich Millimeter für Millimeter in den Fels geschremmt haben, um die kostbare Gabe aus dem Muttergestein zu holen. Die uralten und neueren Zementkupferanlagen im Bergwerk und der archaische Vorgang des Schmelzens beschäftigen diesen Künstler lange Zeit, weil er dem Wesen des kostbaren Metalls so nahe wie möglich kommen will, bevor er daran geht es zu gestalten. Deshalb baut er Schmelzöfen, bis es gelingt. Wie Hephaistos, der Gott seiner Schmiedekunst, folgt Laurenz Stockner Aphrodite in ihr kupfernes Reich der schicksalhaften Metamorphosen, wo Wasser und Fels, Glut und Kälte walten.
Mit allen Mitteln seiner meisterlichen Schmiedekunst setzt er sich dem magischen Moment aus, wenn das glühende Fließen beginnt. Aus Rohmaterial, dessen Gewinnung an sich schon ein Abenteuer ist, fertigt Laurenz Stockner durch Treiben, Auftiefen und Aufziehen nun kraftvolle Objekte, die wie natürliche Datenträger den Reiz ihrer Materie bewahren – und die Glut.
Obwohl ihre kräfteraubende Herstellung über Wochen währt, wirken die Gefäße so als ob die Kupferbarren, Rohlinge und Bleche sich wie von selbst in ihrer Form einfänden, so als ob es gar keine andere Möglichkeit der Formung gäbe.
Aus scharfkantigem Fels werden Arbeitsgang für Arbeitsgang sinnlich weiche Formen, die die Berührung suchen. Die roten, feueroxidierten Schalen gaukeln den Augen Wärme vor und schmiegen ihre schrundige Haut überraschend kühl in die Hand. Nach der Formgebung werden sie erneut der Glut ausgesetzt und im Wasser abgeschreckt.
Manche Schalen übergibt Laurenz Stockner für eine Zeitlang wieder der Erde, aus der sie kommen, zurück: Durch beigegebene Salze wird eine Erosion simuliert, die an archäologische Kupferfunde denken lässt und an deren blaugrüne Patina.
Aus dem kundigen Spiel mit den Elementen, den physikalischen Gegensätzen und der Zeit entstehen Gefäße von wunderbarer Leichtigkeit und Kraft.
Diese Schalen haben als Urbilder der Fruchtbarkeit Vorbilder in der Natur, manche lassen an Samenkapseln und Knospen denken, geballte Lebensenergie. Die Schale ist eine Metapher des Gebens, des Zusammenfließens, des sanften Überfließens, wie es im „Römischen Brunnen“ von Conrad Ferdinand Meyer heißt „…und strömt und ruht“. Auch dieses Oxymoron stellt sich mit in die Reihe der scheinbar unversöhnlichen Gegensätze im Kupferreich der Venus, aus dem Lorenz Stockner schöpft.
Es gibt Schalen, die so fein getrieben sind, dass ihre vibrierende Dünnhäutigkeit nur noch wie durch ein Wunder Standvermögen zeigt. Sie vermitteln durchihre feine Balance wohl am deutlichsten die Botschaft einer allumfassenden Harmonie. Die Schale als Symbol der liebenden Gegensätze zwischen „odi et amo“, zwischen Licht und Schatten.
Im Vorfeld der Ausstellung „Feuer.Werk“, die sich in die bestehende Dauerausstellung des Kornkastens in Steinhaus einschreibt, weckt ein besonderes Objekt in der Ausstellung das Interesse des Künstlers: eine kostbare, feuervergoldete Henkelschale aus Zementkupfer. Sie lenkt sein Auge auf die sogenannten Herrengrunder Gefäße aus der heutigen Slowakei. Die Ältesten sind halbkugelige „Tummler“, Stehaufbrecher für die Bergleute, und schlagen einen schönen Bogen zu den bodenlosen Schalen von Laurenz Stockner. Seltsam ist, dass diese alten Herrengrunder Gefäße in der Ich-Form in deutscher, lateinischer oder anderer Sprache in Gravur das „Wunder“ ihrer Entstehung zwischen Kupfer, Eisen, Wasser, Hitze und Gold erzählen.
Was entsteht, wenn der Künstler diesen Erzählfaden aufnimmt und ihn mit seinem Schmiedehammer weiter vorantreibt? Dann fügt sich das Kupferblech in neue feuervergoldete, schlichte Formen, die keiner Worte bedürfen. Sie erzählen das Wunder ihres Werdens allein durch ihre Schönheit.
Hier übergibt der Kunstschmied an den Silberschmied, der nun erstmals Gebrauchsgefäße formt, die weniger dem Material als der Benutzung dienen und die Spuren der Bearbeitung sichtbar durch die Zeit tragen.
„Was wir in der äußeren Welt schaffen, ist der Spiegel unseres Inneren“, sagt Laurenz Stockner und meint damit auch seine Schalen, die nach ihrer lauten Odyssee durch die Elemente im Reich der Stille stehen.
Karin Dalla Torre
21. Juni 2018